Es war Mai 2019 als Menschen die im Zentrum Wiens ausgestellten Portraits von Shoah Überlebenden aufschlitzten. Heute, 75 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, sitze ich in meiner Küche und höre immer wieder die Worte “Dankbarkeit für die Befreiung” aus dem Radio plätschern.

Wir wurden nicht befreit, wir wurden besiegt.

Diese Portraits von Menschen wurden von uns aufgeschlitzt. Wir sind an ihnen vorbei gelaufen. Darum muss Befreiung in diesem Kontext als immer existente Aufforderung an uns selbst begriffen werden, sie ist nicht gegeben.

“Dankbarkeit besiegt worden zu sein”, diese Worte habe ich heute noch nicht gehört. Sie tun weh, weil sie die Schuld direkt ansprechen. Die Anerkennung der Schuld sollte Grundlage für eine fortwährende Auseinandersetzung sein, nicht um sie abzulegen, sondern als Grundlage für unser zukünftiges Handeln. Wir waren es auch, die mit Nadel und Faden versucht haben, die Portraits zu reparieren.